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Max Ciolek spricht bei Treffen der Mitarbeitenden im Schutzprozess

Ein Mann mit kurzen haaren und Brille lehnt an einem schrägen Metallträger.
Max Ciolek sprach bei einem Treffen der Mitarbeitenden im Schutzprozess
(Bild: Angela von Brill)
Was sexuelle Gewalt an Minderjährigen bedeutet, das musste Max Ciolek am eigenen Leib – und an seiner Seele – erleben: Als Kind wurde er über Jahre hinweg von einem katholischen Priester missbraucht. Die Verletzungen aus dieser Zeit haben sein Leben mitgeprägt und tun dies immer noch. Es hat lange gedauert, bis er über den Missbrauch und seine Folgen reden konnte. Das tut er mittlerweile aber sehr offen, nicht zuletzt deshalb, um andere vor seinem Schicksal zu bewahren. So war er vor Kurzem auch bei einem Treffen der Mitarbeitenden im Schutzprozess des Bistums Osnabrück, um aus der Sicht eines Betroffenen Hinweise zu geben, auf was im Umgang mit sexueller Gewalt geachtet werden muss.

Das Elternhaus von Max Ciolek, 1959 geboren, aufgewachsen in Dortmund als Kind oberschlesischer Eltern, war streng katholisch. Sein damaliger Peiniger war ein Freund der Familie. Mehr noch: „Er war der Star bei uns zu Hause“, sagt Max Ciolek. Wenn er da war, bestimmte er das Familienleben, es war alles auf ihn konzentriert. Kritische Anfragen oder Wiederrede? Gab es nicht von Seiten der Eltern – der Mann war ja schließlich Priester. Diese Überhöhung der Rolle war ein Grund dafür, dass Max und – wie sich später herausstellte – auch einer seiner Brüder missbraucht wurden.

„Sexualität war damals bei uns zu Hause ein Tabuthema“ erinnert sich der heute 62-Jährige. Wahrscheinlich hätte man ihm, wenn er die Gewalt angesprochen hätte, gar nicht geglaubt. Das dürfe aber nicht mehr sein: „Wie können wir lernen, mehr über das Thema Kindesmissbrauch zu sprechen?“, fragt er. Das Thema dürfe sowohl in der Kirche, als auch in der Gesamtgesellschaft kein Tabu mehr sein. Immer noch würden statistisch gesehen ein bis zwei Kinder pro Schulklasse missbraucht. Und jedes müsste durchschnittlich sieben Personen ansprechen und ihnen vom Missbrauch erzählen, bis ihm geglaubt und geholfen wird.
Max Ciolek ist mittlerweile nicht nur Mitglied im Betroffenenrat beim Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs der Bundesregierung, sondern auch in den Aufarbeitungsprozess im Bistum Osnabrück involviert. Wie könnten Betroffene noch stärker an der Arbeit im Schutzprozess und an der Aufarbeitung der vergangenen Jahrzehnte beteiligt werden?

„Kirche sollte bei allem, was sie in dieser Hinsicht tut, immer von den Betroffenen her denken, die Betroffenen sollten sich ernst genommen fühlen“, sagt der studierte Kirchenmusiker. Die Perspektive der Betroffenen sollte die Handlungsmaxime sein, fordert er und nennt weitere Punkte: Es sollte eine ausreichende Aufwandsentschädigung geben, wenn Betroffene eingebunden werden, und es sollten jährliche Vernetzungstreffen der Betroffenen stattfinden.

Eine gute Idee wäre aus seiner Sicht, wenn jede der fünf Arbeitsgruppen im diözesanen Schutzprozess sich mit Betroffenen träfe und über die Arbeit spräche. Auch die Einrichtung von Gedenkorten gegen sexuelle Gewalt hält er für eine gute Initiative.

Alle Betroffenen hätten ihr eigenes Schicksal. „Jeder Mensch ist anders, deshalb geht auch jeder und jede Betroffene anders mit den Erlebnissen um. Manche bleiben ein Leben lang ein Opfer, andere können mit der Erfahrung fertig werden“, sagt Ciolek. Deshalb seien auch nicht alle Betroffenen für jede Form der Mitarbeit in der Aufarbeitung geeignet.

Den Schutzprozess und die Anstrengungen im Bistum Osnabrück findet er gut: „Ihr seid auf dem richtigen Weg“, sagt er den etwa 40 Teilnehmenden an diesem Abend. Aber die Kirche müsse sich entscheidend neu orientieren, will sie kein Ort mehr für sexuelle Gewalt sein. Die Macht muss stärker kontrolliert werden und auch das Verhältnis zur Sexualität muss sich ändern.

Bei Generalvikar Ulrich Beckwermert stößt er mit diesem Apell auf offene Ohren. Es gehe darum, Missbrauch zu verhindern. Dazu müssen Theologie und Kirche ihre Lehre und Richtlinien darauf prüfen, wie das Amt in der Kirche mehr Kontrolle erfährt. Und man muss das Thema Missbrauch noch präsenter machen, als es bisher ist: „Der Nährboden des Missbrauchs ist das Schweigen.“ Ein Schweigen, das so Ulrich Beckwermert nicht vereinbar ist mit der Botschaft des Evangeliums. Es stehe ihr diametral gegenüber.

Weitere Infos zum Schutzprozess im Bistum Osnabrück gibt es unter anderem hier

Infos zum Betroffenenrat beim Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs gibt es hier

Mo, 08. November 2021

Themen: Schutzprozess
Abteilung: Kommunikation

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